Als ich die Anfrage erhielt etwas zum Thema Hochsensibilität und Gemeinschaft zu schreiben, war mir sofort klar: Diese beiden Themen zusammen zu denken ist eine kleine Herausforderung.
Sowohl in meiner persönlichen Erfahrung als Hochsensible als auch im von mir gegründeten Gemeinschaftszentrum Sinnergie ist es immer wieder alles andere als einfach die Idee und das Ideal der Gemeinschaft mit den Eigenschaften von Hochsensiblen Menschen zusammen zu führen. Ein Grundbedürfnis des Menschen ist es, dazu zu gehören. Mit der Geburt gehören wir zu diversen Gemeinschaften dazu. Zuerst ist es die Mutter, die Familie, dann kommen Kita- und Klassenkameraden, Freunde, unsere Nachbarschaft, eine Berufsgruppe oder der Sportvereine hinzu. Möglichkeiten gibt es heute mehr denn je. In unserer Kultur, in der Hochsensibilität (noch) nicht wirklich anerkannt ist, geschweige denn wertgeschätzt wird, leiden die Feinfühler. Sie fühlen sich oft nicht wirklich zugehörig, weder zur Familie noch zu anderen gesellschaftlichen Gemeinschaften. Wenn die eigene Andersartigkeit abgewertet und dementsprechend nicht als Potential zur Entfaltung kommen kann, wird die Gemeinschaft für einen sehr sensiblen Menschen unter Umständen zur Qual. Zu viele Leidensgeschichten sind mir aus meiner Coaching und Seminararbeit vertraut, die bestätigt, wie oft die eigenen Eltern, Geschwister, Lehrer, Kollegen, Partner etc. einen als verrückt, anormal und zu sensibel abgewertet haben. Heute fragen ich gerne zurück: „Zu sensibel für was? Um durchschnittlich zu sein? Zu sensibel, um angepasst zu sein?“ Viele Hochsensible haben eine Leidens-Odysse hinter sich: Abwertung, Missverständnis und Ausgrenzung gehörten zum Alltag. Die lebenslange Unterdrückung der eigenen Bedürfnisse, das Grundgefühl nicht in Ordnung zu sein, die eigenen Eigenschaften und Potentiale nie zum Ausdruck bringen zu dürfen, waren und sind selbstverständlich. Aber es gibt Hoffnung. Das Wissen und das Bewusstsein um die besondere Gabe wächst. Hochsensibilität ist nicht nur ein Makel, sondern auch eine Gabe, eine Kompetenz! Hochsensible Menschen finden in zahlreichen Büchern, aber auch immer mehr in der Wissenschaft zu allen Fassetten dieser Besonderheit geistige Heimat, und Gemeinschaft. Es gibt diverse Selbsthilfegruppen, Coaches und Trainings für Hochsensible. An der Universität Hamburg werden Hochsensible bei der Erforschung dieser Eigenschaft zu Rate gezogen. Ihre Stärken werden objektiviert und damit gesellschaftsfähig. Ich selbst biete in Berlin Grenztrainings an, bei denen es darum geht an dem zu arbeiten, was Hochsensiblen oft sehr schwer fällt: die eigenen Grenzen zu spüren und diese zu halten. Der erste Schritt, sich wieder als ein Teil der Gesellschaft zu fühlen, ist meist die Selbsterkenntnis. Jeder Hochsensible, der sich nach langer Suche in einer Hochsensiblen Gruppe selbst bestätigt und erkannt fühlte, empfindet oft eine tiefe Erleichterung und Annahme und das gute Gefühl: Ich bin nicht allein, ich habe mit anderen etwas gemein. Das Selbstbewusstsein wächst und damit auch wieder die Lust am Leben teilzunehmen. Es kann schnell passieren, dass man sich dann plötzlich und zu Anfang stark zu dieser Gemeinschaft der Hochsensiblen angezogen fühlt und sich so von normal sensiblen distanziert. Das ist völlig ok, solange diese Gemeinschaft nicht destruktiv gegenüber normal Sensiblen wird. Radikale Abgrenzung, wohlmöglich sogar durch Abwertung, ist nicht wirklich nachhaltig. Sich plötzlich vom normal sensiblen Partner zu distanzieren, ihn als schlechteren Menschen wahrzunehmen und zu meinen, das Glück in Zukunft in einem neuen Seelenpartner, der ebenso hochsensibel ist, zu finden, kann zu einer irreparablen Wunde führen. Gemeinschaften, ganz gleich, ob Lebensgemeinschaften oder größere, bestehen zwar aus gemeinsamen Werten. Sie leben gleichzeitig aber auch aus sich ergänzenden Eigenschaften und Konflikten. Konflikte sollten hier immer wieder als Triebwerke für Entwicklung verstanden werden. So kann z.B. ein normal Sensibler einen Hochsensiblen gut erden, das Leben vereinfachen und den Ausgleich zur ständigen Überreizung schaffen. Gleichzeitig sieht ein Hochsensibler Dinge und Energien, die ein normal Sensibler gar nicht wahrnimmt. Sich diesem feinen Wissen zu öffnen kann durchaus hilfreich und persönlichkeitserweiternd sein. Stellen sie sich nur eine Reise mit 6 Hochsensiblen Menschen vor. Das kann für alle Beteiligten unerträglich werden. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Das ausgleichende Element fehlt. Wie Ying und Yang brauchen sich die gegensätzlichen Qualitäten als Gegenpol. Voraussetzung für eine fruchtbare Gemeinschaft ist die gegenseitige Wertschätzung und das Bewusstsein, aber auch eine gesunde Distanz zu sich selbst für die eigenen Eigenschaften. Der Satz: Ich bin gut, Du bist gut, ist hier immer wieder hilfreich. Das gleiche gilt für größere Gemeinschaften. Die eigenen Eigenschaften, Bedürfnisse und Grenzen sowie das eigene Rollenverständnis in einer Gruppe zu kennen ist für Hochsensible die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Gemeinschaft/Koexistenz. Gleichzeitig besteht für „Leitwölfe“ einer Gemeinschaft die Gefahr sich in Gemeinschaftstheorien oder Konstruktion zu verlieren, statt auf die Menschen mit all ihren Besonderheiten und Potentialen zu reagieren und lebendige Beziehungen wohlwollend zu leben. Es ist immer wieder wichtig für sich zu definieren, was kann ich in eine Gemeinschaft geben und was wünsche und erwarte ich von einer Gruppengemeinschaft. Oft haben Hochsensible sehr hohe moralische Werte, die es den anderen nicht gerade leicht machen, in Leichtigkeit und ohne nachtragend zu sein gemeinsam nach vorne zu schauen. Eine große Gefahr für Gemeinschaften an sich ist, wenn die Bedürftigkeit der Mitglieder größer ist als die Bereitschaft sich der größeren Idee des Projektes hinzugeben und dabei das Ego auch mal hinten anzustellen. So entsteht ein Vakuum, in dem alle bedürftig sind und nicht wirklich geben können. Solltest Du als Hochsensible gerade in einer Phase sein, in der das Ego zu leben und zum Ausdruck zu bringen sehr wichtig ist und wirklich ansteht, sollte die Gemeinschaft, die viel von dir an Anpassung und Gruppenarbeit fordert, erst ein Mal warten. Solltest Du nicht hochsensibel sein, aber das Gefühl haben, dass Du hochsensible Menschen in Deinem Umfeld oder Deiner Gemeinschaft kennst, versuche sie anders wahrzunehmen, vielleicht sogar nach ihrer Meinung und Wahrnehmung fragen und als Teil des großen Ganzen wertzuschätzen. So können wundervolle Synergien auf persönlicher wie gemeinschaftlicher Ebene entstehen. Daria Czarlinska M.A. Politikwissenschaft, Systemischer Coach & Yogalehrerin, Gongspielerin www.dariayoga.com Daria Czarlinska leitet das Bewusstseinzentrum Sinnergie in Berlin Pankow. Sie bietet regelmäßig ganzheitliche Seminare, Workshops sowie Einzencoachings für Hochsensible an. Ihre Schwerpunktthemen sind die folgenden: Grenzen ziehen Potentiale entfalten Stärken stärken
4 Kommentare
|
Daria YogaPolitologin Archives
November 2023
Yoga |
Daria Czarlinska
zert. Kundalini Yoga Lehrerin (Business & Female) zert. Systemischer & Agiler Coach zert. Familienstellerin zert. Thai Yoga Massage Praktikerin M.A. Politologie/ Slawistik/Psychologie Gründerin & Leiterin des Sinnergie - Institut für Coaching & Achtsamkeit Newsletter
Daria Czarlinska Deutsche Kreditbank IBAN DE75 1203 0000 1005 166812 - BIC: BYLADEM1001 Wertschätzung
|
Kontakt
|